Digitalfotografien eines Stierkampfes sind das Ausgangsmaterial für Thomas
Robbers digitale Malerei. Zentral für den Arbeitsprozess war die Loslösung vom Referenten, vom eigentlichen Bildgeschehen durch mehrstufiges Überarbeiten der Bildvorlage, sowie die spätere Addition
verschiedener Gestaltungsebenen, die zu einer motivischen Reduktion führten, bei der zentrale Bildelemente aus dem Hintergrund isoliert wurden, um so den Kampf zwischen Mensch und Tier in den Fokus
zu nehmen, zu intensivieren und auf eine metaphorische Ebene zu transferieren. Bearbeitet mit Photoshop und drucksensitivem Monitor wurden alle Pixel von Hand gesetzt und malerisch gewandelt. Mittels
eines digitalen Pinsels wurden -analog zur traditionellen Malerei- Farben und Licht korrigiert und im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Motiv ein kontemplativer Prozess in Gang gesetzt.
Ursprünglich gedacht als hilfreiches Arbeitsmittel für Fotografen, zum Beispiel in der Werbefotografie, hat die digitale Bildbearbeitung mittlerweile auch Eingang in die Bildende Kunst gefunden, das
Bild vom Materiellen gelöst. Dabei ist digitale Malerei mehr als die vorhandenen Tools über eine Ausgangsfotografie laufen zulassen, die Oberfläche und deren Anmutung zu verändern, sondern sie
verweist auf einen komplexen künstlerischen Prozess, der jederzeit korrigierbar ist, der einer stetigen Überprüfung unterliegt und den Anspruch an das Bild steigen lässt. Das Erproben und Auswählen,
das Vergleichen und Überprüfen, das Verwerfen und Speichern von Zwischenergebnissen, das Wiederanknüpfen an vorangegangene Arbeitsschritte, also das vielschrittige Experimentieren ist elementarer
Bestandteil des Arbeitens mit digitalen Medien, bis das Ergebnis sich mit der intendierten Bedeutung deckt und der Prozess beendet wird. Hier ist die reflektierte Selbstpositionierung in Bezug auf
das Sujet, die die inhalts- aber auch technikbezogenen Intentionen und Möglichkeiten des Gesamtprozesses immer im Blick behält, zentrales Moment von Thomas Robbers Arbeit.
Die Orientierung an anderen Künsten, der mediale Transfer von Malerei ist bei
Robbers ein bewusstes Spielen mit den Möglichkeiten der digitalen Technik, wobei es nicht um das Kopieren oder das möglichst genaue Imitieren von Malerei geht, sondern um die Frage nach den - auch
medialen - Eigenschaften der künstlerischen Arbeiten, um Entgrenzung des Verhältnisses von Original und Kopie, von Unikat und massenhafter Reproduzierbarkeit.
Digitale Malerei evoziert die Frage nach dem Individuellen, nach der Leistung des Künstlers und der des Rechners oder des Fotoapparats. Dieser Diskurs ist nicht neu, sondern schon im 19. Jahrhundert,
nach Erfindung der Fotografie, haben Maler Fotografien als Vorlage genutzt, haben sich aber auch -im Zuge des Piktoralismus- Fotografen an der Ästhetik der Malerei orientiert, auch die
fotorealistischen Tendenzen im 20. Jahrhundert verweisen auf ein enges spannungsvolles Wechselspiel von Malerei und Fotografie, das in den letzten Jahren durch die Möglichkeiten der digitalen
Bildentstehung und -bearbeitung wichtige neue Impulse bekommen hat und immer wieder neu ausgelotet werden muss.
Jenseits des Sujets gilt die Malerei als Kunst, das handgemachte Original als auratisch, als singulär, echt und komplex im Entstehungsprozess, das digitale Bild dagegen in seiner Produzier- und
Reproduzier- sowie massenhaften Verfügbarkeit, da technikbasiert als trivial, schnelllebig und flüchtig. Die Verknüpfung digitaler Medien mit der Anmutung von Malerei in Robbers Arbeiten reflektiert
Begriffe wie Kunst und Nichtkunst, Original und Massenware, das Verhältnis von analogen und digitalen Bildentstehungsprozessen, aber auch immer die Frage nach dem Wozu. Wenn man so will findet hier
ein Imagetransfer statt, in dem die Aura der Malerei auf das digitale Bild übertragen wird. Der Bedeutungsverlust des Digitalen in der Flut der Bilder scheint hier angehalten. Und nicht die Frage
nach dem Wie, nach den technischen Möglichkeiten der digitalen Medien, ist -wie die Arbeiten von Thomas Robbers zeigen- spannend, sondern die Frage nach der Botschaft hinter dem Medium und hinter der
Oberfläche. So kann das Neue auch den Blick auf das Alte verändern.
Sabine Wallach